8. Tag, Montag, 10. September 2007, Omsk - Tjumen - Jekaterinburg

Zum Frühstück gibt’s unter anderem Kaviar und Pinienkerne.

Zwei Navigationsprobleme haben wir zu klären. Erstens wie kommen wir aus Omsk raus? Und bitte wo geht’s nach Jekaterinburg – sind eh nur ungefähr 1000 km? Wir müssen – wie beschlossen - leider um Kasachstan herumfahren.

Die freundliche Rezeptionistin druckt uns einen Routenplan für Omsk aus – nett von ihr.
Dann heißts noch wir sollen Richtung Tjumen fahren – ein Ort am Weg nach Jekaterinburg. Wegen der fehlenden Karte wärs gewesen – ein Teil des Weges ist aber auf der 1: 2 300 000 Kasachstan Karte drauf – aber halt nur ein Teil.

Mit dem Routenplan ist es ein leichtes aus Omsk hinaus. Wieder an desolaten Plattenbauten vorbei und schon sind wir wieder auf der einsamen zweispurigen Landstraße – also einsam bis auf die LKWs, überholende Einheimische und Polizisten.

Die Straße ist mal besser mal schlechter. Auf den guten Stücken können wir sogar 90 fahren sonst geht die Geschwindigkeit bis auf 40 zurück. Das trübt ein bissl die Stimmung.

Wir verbringen jetzt schon seit über einer Woche zu zweit auf 1 m2 im Panda. Das ist keine Reise mehr, das ist ein soziales Experiment.

Auf einem der besseren Straßenstücke erinnern wir uns dass der Panda ja einen Radio mit CD-Player hat. Auf den Rumpelstrecken in der Mongolei hätt das wenig Sinn gemacht – eine CD zu spielen und jetzt in Russland hätten wir in fast vergessen unter der Staubschicht die das Cockpit ziert – hat ja alles die gleiche Farbe. Könnt ma mal putzen auch.

Welche CDs haben wir da mit? ABBA oder Georg Danzer. Hmmm?

Geht scho, Schurli! Prack eine, in de Wåndergitarr!

Jö schau….

In memoriam halt.

Irgendwie schon seltsam. Ein echter 1 m2 Mikrokosmos – der da durch das Westsibirische Tiefland rollt.

Unterbrochen wird die Fahrt nur durch Tank- und Pinkelpausen. Also in den Panda was reinfüllen und aus uns was rausleeren.

Tanken ist in Russland überhaupt lustig – ganz anders als bei uns.

Man muß nämlich vorher sagen wie viel Liter man tanken will. Die Tankstellen bestehen aus einem mehr oder weniger großen Hüttl mit vergitterten meist auch noch verspiegelten Fenstern und einer Art Schublade. In dieses Lade legt man das Geld sagt wie viel Liter man von
welchem Benzin tanken möchte, die Lade wird’s ruckartig in das Innere gezogen nach einiger Zeit fährt sie mit etwaigem Restgeld wieder aus, man geht wieder zum Auto zurück – steckt den Tankschlauch an und kurze Zeit später wird die Pumpe eingeschaltet und läuft solange bis die
bezahlte Literanzahl erreicht ist. Den Mensch dahinter sieht man nie. Tankwart sieht man selten.

Die werde ihre Pappenheimer schon kennen – die russischen Tankstellenbetreiber.

Die Russen sind wie die US-Amerikaner. Die fürchten sich auch vor allem und jeden.

So weit so gut man halt der russischen Sprache und der kyrillischen Schrift mächtig ist. Wir jedenfalls nicht.

Wir behelfen uns indem wir, z.B. „92 3 28L“ auf einen Zettel schreiben – soll heißen 92er Benzin, Zapfsäule 3, 28 Liter und den Zettel mitsamt den Rubeln in die Lade legen.

Und die verstehen das.

Wahrscheinlich ist aber auch hinter den verspiegelten und vergitterten Fenstern auch gar kein Mensch sondern nur eine seltsame Maschine die das Restgeld in die Lade legt und die Pumpen aufdreht oder Vampire die das Sonnenlicht meiden müssen.

Manchmal reisen wir in der Zeit zurück. Nein kein relativistisches Phänomen. Sondern es sind die Straßenschilder, einmal steht Еқатеринбург 420 km – am nächsten ein paar Kilometer weiter Еқатеринбург 470 km. Das gleiche mit den Kilometertafeln am Straßenrand, die zählen mal von 200 km rauf dann kurze Zeit später wieder von 600 runter.

Während der Sowjetunion war es ja kein Geheimnis dass russische Straßenkarten falsch waren und Straßenschilder in die falsche Richtung gezeigt haben.

Wahrscheinlich um westliche Panzerarmeen zu verwirren – die im Kalten Krieg nach Sibirien gestürmt wären um den Klassenfeind zu bekämpfen. Wie die wohl getankt hätten?
„Diesel, 3, 7000L“

Aber jetzt!

Wir drehen nur zur Kontrolle wiedermal den Gecko auf. Ja Richtung passt!

Der Panda quietscht auf einmal. Sehr laut. Wir vermuten es sind die Einlagebleche zwischen den Blattfedern. Verschiedene Metalle reiben aneinander. Wir wollen nicht noch mehr auffallen. Aber was sollen wir jetzt tun? Quietschen wir halt weiter.

Laut quietschende Einfahrt Jekaterinburg im Dunklen – an den Checkpoints vorbei. Die Polizisten drehen sich verwundert nach uns um. In der Dunkelheit fahren ist nicht so toll, die Überholmanöver werden noch tollkühner – noch dazu taumeln dann am Straßenrand die Bsoffenen herum. Achterschleifen oder wahrscheinlich irgendwelche seltsame kyrillische Buchstaben.

Wir wollen keinen von den Bsoffenen zsammführen. Sitzt wahrscheinlich lang im Gefängnis.

Jekaterinburg – während der Sowjetzeit Swerdlowsk genannt, viertgrößte Stadt Russlands, über eineinhalb Millionen Einwohner. Auch eine alte Stadt.

Unrühmlich bekannt geworden durch die Ermordung der Romanows – der Familie des letzten russischen Zarens.

1918 wurde Zar Nikolaus II., seine Frau Alexandra und ihre vier Töchter im Alter von 17 bis 23, sowie der 14 jährige Alexei, der Zarewitsch, nach Jekaterinburg deportiert. Dort in einem Haus untergebracht, von den Bolschewiken „Haus zur besonderen Verwendung“ genannt. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918 wurde Nikolaus II. und seine gesamte Familie von Mitgliedern des frühen sowjetrussischen Staatsicherheitsdienstes erschossen. Der Mord dann verheimlicht. Echt feine Burschen.

Anstelle des Hauses wurde später eine Kathedrale gebaut – die Blutkathedrale. Heute eine – zwar fragwürdige – Sehenswürdigkeit.

Genug der finsteren Geschichten.

Wieder das Problem – bitte wo geht’s ins Zentrum? Hier ist’s aber angeschrieben – zumindest glauben wir auf den kyrillischen Schildern Zentrum entziffern zu können – im Dunkeln und im Abendverkehr.

Auf einer großen breiten Straße mitten in der Stadt dann rechts ein großes Gebäude – gibt zwar viele große moderne Gebäude hier – aber auf dem steht „Park Inn“ drauf.

Sofort auf den Parkplatz einbiegen. Wir wollen nicht mehr weiter – wurscht was es kostet. Oder doch nicht! Waaas? 300 US$!

OK leisten wir uns!

Abendessen im Hotel. Bier ist aus. Super.

Gute Nacht!

Keine Kommentare: