7. Tag, Sonntag, 9. September 2007, Barnaul - Nowosibirsk - Omsk

Auf geht’s nach dem Frühstück – zuerst die 200 km nach Norden nach Nowosibirsk und ab da gibt’s eh nur mehr eine Richtung: Westen.

Die Umfahrungsstraße von Nowosibirsk verpassen wir zwar irgendwie, aber wir finden relativ schnell durch – immerhin die drittgrößte Stadt Russlands.

Bei der Ein- und Ausfahrt – wieder so Polizei-Checkpoints.

Wir fahren jetzt auf der Hauptroute durch das südliche Sibirien. Man kann auch sagen einzigen Route. Dementsprechend ist der Verkehr.

Tagesziel ist Omsk, etwa 700 km westlich von Nowosibirsk. Das ist sogar für uns auf Kyrillisch leicht zu lesen.

Das wir keine Karte haben stört hier nicht so wirklich – gibt eh keine Abzweigungen.

Das Durchschlagen rechts hinten ist nervig. So gut ist die zweispurige Landstraße auch nicht. Wir biegen auf einen Feldweg ein. Hinten rechts das Rad runter. Da muß doch was zu machen sein. Ist es auch. Wir stemmen das letzte Auflageblech der Platte im Innenraum heraus und
klopfen es gerade und nehmen es als Einlage zwischen der einen gebrochenen Hälfte der mittleren Blattfeder und dem obersten Blatt. Mit Silvertape fixiert! Damit sollte zumindest die eine Hälfte wieder mitfedern.

Ein Einlageblech fehlt jetzt noch – wir können nix mehr rausstemmen.

Hey hey Wickie, Hey Wickie Hey! Idee!

Das ist ja noch der kurze Bandstahl vorne am Auto, von dem wir ein Stück runtergesägt haben – der ehemalige Abschlepphaken – der ist nur angeschraubt – also runter damit. Perfektes Einlageblech.

Hat tatsächlich funktioniert. Schlägt jetzt hinten viel weniger durch. An der Schräglage hat sich nichts geändert.

Heiter weiter geht’s..

Nach kurzer Diskussion beschließen wir unsere geplante Route aufzugeben. Eigentlich wollten wir ja über Kasachstan bis nach Usbekistan - nach Samarkand fahren – dann wieder nach Kasachstan zurück, das Kosmodrom in Bajkonur anschauen – und weiter über Russland zurück.

Ist aber mit dem Auto nicht mehr machbar. Wir haben von den schlechten Straßen in Kasachstan gehört. Wir können dem Panda keine Schotterpisten mehr zumuten – das würde die Blattfeder nicht aushalten - vermuten wir. Außerdem gibt es in Kasachstan nicht soviel Infrastruktur wie in Russland – falls der Panda komplett ausfällt.

Wir entscheiden in Russland zu bleiben und direkt nach Westen zu fahren. Schade!

Zwei Dinge fallen auf:

Erstens die Russen fahren da als wären sie verrückt oder lebensmüde oder beides gleichzeitig – vor allem beim Überholen.

Wir vermuten dass durch den Wodkagenuß schon am Vormittag der Tunnelblick so ausgeprägt ist, dass sich die einheimischen Fahrer nur mehr auf das wesentliche konzentrieren können – das zu überholende Fahrzeug – also unser Panda z.b. – wurscht ob da jetzt Gegenverkehr, eine uneinsichtige Kurve oder Kuppe ist.

Wir waren nicht einmal versucht auf das Schotterbankett zu fahren – als uns wieder so ein Held auf unserer Spur entgegengekommen ist. Ging sich grad so aus.

Alle paar Hundert Meter gemahnen am Straßenrand Blumengestecke und Kränze bis hin zu echten Marterln mit Bildern der Verstorbenen an die finalen Konsequenzen dieser halsbrecherischen Fahrweise. Was denen aber vollkommen wurscht zu sein scheint.

Auch dem Speedfreak im babyblauen Lada sind solche Gedanken egal, der uns dann am Nachmittag mit ausdrehendem Motor am Schotterbankett rechts überholt. Links war ja kein Platz dafür – nein nicht wegen dem Gegenverkehr – sondern wegen dem LKW der uns gleichzeitig ganz normal links überholt.

Der Verkehr ist hier echt lebensgefährlich. Muß in Russland die zweithäufigste Todesursache sein – nach Alkoholismus.

Wir fahren auf diesem Schlachtfeld mit unserem Panda so defensiv wie möglich – geht mit einem Panda normalerweise eh ned anders. Wir möchten alles andere als, das das letzte was wir vom Leben mitbekommen, der Kamaz-Schriftzug am Kühlergrill eines dieser feinen, nur ganz wenig rauchenden, LKWs der gleichnamigen russischen LKW-Schmiede ist.

Alleine auf der Fahrt von Nowosibirsk nach Omsk fahren wir an zwei frischen Unfällen vorbei – zwei Autos liegen zerbeult am Dach neben der Straße.

Bemerkenswert der Mittelspurmarkierer. Der sitzt auf einem kleinen Wagerl mitten auf der Straße und malt einen weißen Streifen auf den Asphalt – ganz in seine Arbeit vertieft. Links und rechts donnern im Zentimeterabstand die großen LKWs vorbei. Da kommt der Tod auch rasch und unbemerkt.

Wenn der Sergej im Freightliner – die stehen da in Sibirien auf diese riesigen amerikanischen LKWs mit der großen weit nach vorne ragenden Motorhaube – sich kurz mal umdreht um nach der neuen Wodkaflasche zu greifen – schon ists geschehen um den Künstler mit dem weißen Pinsel mitten auf der Straße in seinem kleinen Wagerl – oder um den Panda. Rumpelt nur ein bissi.

Das zweite nicht weniger unangenehme sind die vielen Polizisten. Hatten wir in der Mongolei auf 1.800 km einen Polizisten gesehen – so ist es hier genau umgekehrt.

An allen Ecken und Enden stehen sie – und sie sind Meister in der Tarnung ihres Ladas. Den können sie gut verstecken. Vor allem auf Kuppen von denen man in beide Richtungen die Straße kilometerweit überblicken kann. Meistens ist dann vorher eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70km/h und Überholverbot. Wir können teilweise eh nicht viel schneller fahren. Das wird gut überwacht – und dann stehen die wilden Lada-Treiber zu viert und zu fünft in einer Reihe links und rechts der Straße und diskutieren mit den Polizisten – oder sitzen schon im Polizeiauto. Sollen ja nur ganz wenig korrupt sein – die Kieberer in Russland – und auf Ausländer habens auch einen Pick.

Einer überholt uns dreimal und wir runden uns dreimal zurück – weil er jedes Mal von der Polizei aufgehalten wird – das war ihm offensichtlich egal oder sind die Strafen für Einheimische so gering? Wir wissen es wieder einmal nicht.

Es zeigt sich aber auch dass übermäßige Polizeipräsenz auf den Straßen nix aber auch gar nix dazu beiträgt sich sicherer zu fühlen. Ganz im Gegenteil. Das an die eifrigen Kronenzeitungs-Leserbriefschreiber und an den H.C. Strache.

Russland ist ein echter Polizeistaat.

Zusätzlich gibt’s es dann noch mitten in der Landschaft – genau wie bei den Aus- und Einfahrten der Städte – Polizei-Checkpoints – an denen man langsam vorbeifahren muß – meistens als Kreisverkehr gebaut – auch dort kontrollieren sie immer wieder Autos.

Wir haben bis jetzt Glück, wir können mit dem Panda sowieso nicht wirklich eine Übertretung begehen. Auffällig sind wir mit dem kleinen Auto auch nicht grad – naja bis auf die Pickerln und dem Wiener Kennzeichen halt und dem Auspuffröhren.

Dann hält uns mitten in der einsamen Landschaft ein einsamer Polizist auf. Die Papiere will er sehen. Er ist noch sehr jung und interessiert sich hauptsächlich für die „maschina“ – das Auto. War scheinbar nur eine Routinekontrolle.

Sonst gibt’s von der langsamen eintönigen Fahrt durch das Westsibirische Tiefland nicht viel zu berichten

Birkenwälder wechseln sich in der sich niemals ändernden Landschaft mit Weißkiefern ab – dann wieder Sumpf – und das ganze wieder von vorn.

Die Peripherie von Omsk erreichen wir noch im Hellen. Paßt aber nicht so ganz zur Uhrzeit. Neue Zeitzone vielleicht schon wieder?

Wir wollen wieder ins Zentrum fahren! Ausländer-Touristen-Hotel mit Geheimdienstcomputeranschluß usw. finden.

Omsk, auch eine alte Stadt, Eineinhalb Millionen Einwohner, siebtgrößte Stadt Russlands, am Zusammenfluss von Irtysch und Om (nicht Ob!) gelegen. Na find da mal ins Zentrum – ist ja nix angeschrieben.

Vorbei an desolaten heruntergekommenen Plattenbauten geht’s dahin – wir folgen einer O-Bus Linie – die muß ja irgendwo hinführen.



Die Gebäude werden besser – die Straße breiter. Ist das schon das Zentrum? Wohl kaum.

OK, Taxlerschmäh.

Na der fährt noch ca. 20 Minuten quer durch die Stadt – über den Irtysch drüber – hätten wir nie hingefunden.

Im Hotel heißts „Njet“ – kein Zimmer. Hä? Das ist aber ein Ausländer-Touristen-Hotel mit Geheimdienstcomputeranschluß. Warum denn nicht? Kein Zimmer frei! Ahso, hat eh nur 15 Stöcke und ca. 3000 Zimmer. Vielleicht stehen wir der russischen Kopfschüttlerin, die hinter der Budel sitzt, nicht zu Gesicht. Sie wirft uns raus – wir sollen es aber gegenüber versuchen deutet sie uns noch.

Tatsächlich noch ein Hotel – das Hotel „Marx“ (!) - ganz neu renoviert – das kann noch nicht lange offen haben.

Auch hier zu Beginn schiefe Blicke aber dann klappts und die Rezeptionstante wird freundlicher – wir bekommen ein Zimmer, und Tipps zum Abendessen.

Auf dem Weg zu einem der vielen Lokale und Restaurants in der Umgebung des Hotels fallen wieder die vielen Menschen auf. Da ist echt was los in der Stadt. Echt nett da. Viele sehr hübsche junge Mädchen sind unterwegs – ist uns in Barnaul auch schon aufgefallen. Viele in High Heels, die unsägliche Zehenschlapfenmode hat sich bis hinter den Ural gottseidank noch nicht durchgesprochen – wär auch zu kalt.

Angeblich sind ja viele Modelscouts der großen Agenturen in Sibirien genau deswegen unterwegs. Ka schlechter Schmäh: „Hallo Schöne, ich bin Modelscout von Elite Models Inc., Paris, Mailand, New York..“ – und die Langbeinige schmilzt dahin. Besser als unser „Nau Prinzessin, so allaa?“ – sollt ma vielleicht mal überdenken.

OK aus, anderes Thema!

Runter in ein Kellerlokal. Wir verwirren das Personal. Tuscheln und schauen zu uns ständig her. Ausländer kennen die nicht. Wir bekommen einen eigenen Kellner – der ist überaus bemüht – spricht sogar ein paar Worte englisch – sie wollen uns offensichtlich beeindrucken – wir beobachten ihn wir er ständig in ein kleines Buch schaut – eine Übersetzung wahrscheinlich.

Das Baltika bekommen wir in gekühlten Tonkrügen serviert. Unser Kellner empfiehlt uns zum Bier eine lokale Spezialität – eine Art Käseplatte.

Selten so gut gegessen und getrunken – wie in diesem Omsker Kellerlokal.

Eine echt nette Stadt.

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