6. Tag, Samstag, 8. September 2007, Kohl-Agach - Barnaul

Nach 8 ist es – Kaffee haben wir schon getrunken – zubereitet am lustigen Gasofen in der Küche – wir liegen unter dem Panda und sägen den Abschlepphaken weiter ab – mit neuer Kraft. Es gelingt – das flache Stahlstück mit dem Loch in der Mitte gibt eine erstklassige Blattfederneinlage ab. Wieder mit Silver-Tape fixiert.

Rad wieder montiert. Links paßts – rechts dagegen ist die Blattfeder noch immer gebrochen – die können wir nicht reparieren – wir haben keine mehr – der Panda hat jetzt 5° Schräglage nach rechts – was wir für absolut in Ordnung befinden.

Die Moskauer machen sich auch abfahrbereit – sie schauen leicht gezeichnet aus – war wohl noch länger gestern – beim Verladen ihres Gepäcks in ihren kleinen LKW beobachten wir sie kurz – 20 Flaschen Wodka verschwinden im Inneren – für 4 Moskauer.

Wir fahren die Bank suchen – ob die am Samstag offen hat? Wir brauchen aber dringend Rubel. Natürlich hat die Bank zu. Zurück zur Bretterbude. Wir treffen unsere Moskauer Genossen grad noch an – und ja sie wechseln uns 100 US$ in Rubel.

Wir können endlich tanken.

Und Straßenschilder gibt’s hier, knapp 900 km nach Nowosibirsk. Richtung Nordwest. Na fahr ma mal.

Noch bevor wir die Stadt verlassen – geht uns das Röhren des Auspuffs am Nerv. Wir bleiben in einer Nebenstraße stehen. Wieder alles ausräumen. Na da schau – ein dünnes Stahlseil. Mit dem binden wir den Auspuff nach oben an den Krümmer an.

Er röhrt zwar immer noch – der Panda – aber deutlich leiser. So läßts sichs fahren – auch wegen der Road police. 4 Polizeiautos haben wir schon gesehen.

Unterwegs mit 70 – 90 km/h auf der russischen Landstraße.

Genaugenommen sind wir noch gar nicht in Russland – sondern in der Republik Altai – einer autonomen Republik auf russischem Hoheitsgebiet – aber ohne Grenzen halt aber mit eigener Verwaltung. Wird auch das „russische Tibet“ genannt.

Auch klar warum. Wir fahren durch das Altai-Gebirge. Es erstreckt sich da über knapp 2.100 km im Grenzgebiet, Russland, Mongolei, China, Kasachstan, teilweise sind die Berge über 4.500 m hoch. So in nordwestlicher Richtung.

Sehr schön.

Gibt da nur eine Straße durch.

Diese eine Straße folgt einem Fluß und windet sich durch ein enges Tal. Ein Fluß? Schau ma mal nach – auf der Digicam - auf der abfotografierten Russland-Übersichtskarte. Oh, es ist eh nur der Ob. Wir fahren also dem Oberlauf des Ob entlang. Ist eh nur der sechstlängste Fluß der Welt, nach über 3.500 km mündet er nördlich vom Polarkreis in die Karasee (eiskalt
dort oben).

Ziemlich groß der Kontrast nach der mongolischen Wildnis – in der es uns das Auto fast zerbeutelt hätt. Hier gibt’s markierte Straßen mit Entfernungsangaben und Kilometerschildern, Verkehrszeichen, gesicherte, also fast gesicherte Baustellen, Infrastrukur, sogar Bushaltestellen – es gibt Öffis da (gesehen haben wir zwar keine – nur Haltestellen).

Nur auch weiterhin dünn besiedelt und wenig Verkehr. Hin und wieder ein Dorf – bestehend aus Holzhäusern. Aber jedes hat dafür mindestens eine Tankstelle.

Die schneebedeckten Berge im Hintergrund schauen großartig aus. Im Tal ist der Herbst eingezogen – die Birken werden schon gelb.

Bei jeder Bodenwelle und jedem Schlagloch im Asphalt dass wir übersehen – schlägt der Panda hinten rechts durch. Unangenehm.

Lustig die Linkskurven. Da nimmt die Schräglage nach rechts teilweise bis zu 15° zu – ist wie wenn man mit dem Flugzeug eine Kurve fliegt. Hoffentlich fliegen wir nicht raus – oder von der Straße.

Wir bangen wieder um die rechte Blattfeder. Wenn das oberste Blatt auch noch bricht – ist die Reise hier zu Ende. Ist zwar schön da in den Bergen – der Ob rauscht wild dahin – aber es sind noch so 700 km bis Nowosibirsk. Da vermuten wir den nächsten Flughafen den die Aeroflot anfliegt.

Die Lenkung dürft auch was abbekommen haben. Um grad zu fahren – steht das Lenkrad ziemlich schräg nach rechts. Der vierte Gang geht auch immer schwerer rein. Lieber gleich vom dritten in die fünfte schalten. Das Schaltgestänge scheint verbogen.

Zwei Pässe sind zu überqueren – jeweils 12% Steigung in Serpentinen hinauf und wieder runter – lächerlich geradezu – sind wie Alpenpässe zu fahren.

Die Straße ist zwar vom Zustand her ok, wir können aber wegen der vielen engen Kurven trotzdem nicht schnell fahren.

Auf den russischen Kleinbussen die uns entgegenkommen sind oft Schlauchboote zu sehen. Im Fluß auch. Die raften da, die Russen. Wie auf der Salzach.

Das Tal wird breiter und sanfter, der Ob auch.

Alles hat ein End (außer der menschlichen Dummheit – zumindest laut Albert Einstein) - so auch die Berg – soll heißen – flach wird’s – nach stundenlangem Herumgekurve – wird’s eben und grad und dämmrig dazu.

Je weiter wir aus den Bergen hinausgekommen sind, desto mehr hat der Verkehr zugenommen – vor allem LKWs. Dichter besiedelt ist es auch.

Ziemlich wild fahrens da – jetzt im Finstern. Nowosibirsk schaffen wir auf keinen Fall mehr. Von unseren Moskauern haben wir noch gehört dass Barnaul am Weg liegen soll (noch mal - wir haben ja keine Karte). Eine Stadt.

Tut sie auch. Und was für eine Stadt. 600.000 Einwohner gleich. 200 km südlich von Nowosibirsk. Ziemlich alte Bergbaustadt, also für Sibirien alt, 18. Jahrhundert.

Um Barnaul herum führt die Umfahrungs-Schnellstraße – dann ein Polizei-Checkpoint im finstern. Eine Spur – mit 10 km/h an der Polizei vorbei – ein paar Autos fangens raus – uns nicht - nachher wieder normale Schnellstraße – aha die bewachen die Stadt – kontrollieren wer raus- und reinfährt. Vor was oder wem fürchten sich die?

Wir fahren von der Schnellstraße ab als wir ein paar größere Gebäude sehen – wird doch ein Hotel dabei sein?

Ist auch sogar eins dabei. Nur nicht für uns. „Njet“ heißts an der Rezeption.

In Russland kann man als Ausländer nicht einfach in jedes Hotel einchecken - könnt ja ein jeder kommen – das geht nicht – nur in spezielle Hotels – in Ausländer-Touristen-Hotels (was dem Bretterbuden-Typ in Kohl-Agach vollkommen wurscht war).

Wir fahren eine breite Straße entlang von der wir vermuten sie führt ins Zentrum. Dort sollten doch noch andere Hotels sein, mutmaßen wir.

Na aber hallo – das ist ja ein Prachtboulevard – breit, hell erleuchtete Restaurants, viele Menschen auf den Gehwegen – ok es ist Samstag Abend – das erinnert ja fast ein bissl an Paris.

Aber weit und breit kein Hotel.

Wir bleiben bei einem Taxi stehen. Einer von uns steigt aus, frägt nach „Hotel?“ oder „Gostinija?“, steigt ins Taxi ein, der andere fährt dem Taxi nach. Das ist unser Taxischmäh.

Das Taxi biegt nach 100 m ab, fährt um den Häuserblock – bleibt vor einem Riesengebäude stehen – Hotel erreicht. Der Taxler will nicht mal Geld dafür.

Einchecken. Das wichtigste beim Einchecken ist die Immigration Card – nicht der Reisepaß. Der blöde Kaszettel. Wird alles in den Computer eingegeben – in irgendeine Geheimdienstdatenbank – der Wladi (der Putin) will alles wissen – was so komische Ausländer so alles treiben in seinem Land.



Dr. Seltsam? Nein, Wladimir Putin, Russischer Staatspräsident, beim Spielen.

Als Ausländer kannst in Russland auch nicht so einfach zelten –oder campen – nein man muß sich in einem Ausländer-Touristen-Hotel mit Geheimdienstcomputeranschluß melden.

Wie bekommen unser Zimmer. Auch wieder langer Tag gewesen. Es ist schon 10 als wir ins Hotelrestaurant gehen. Die Speisekarte gibt’s auch in schlechter englischer Übersetzung – vorher führt uns die Kellnerin zum Getränkeeiskasten – wir dürfen uns das Bier selber aussuchen. „Baltika“ wird’s – ein russisches – und nicht das schlechteste.

Nach dem Essen – hmm? – es ist Samstagabend – und wir sind endlich in der Zivilisation – also raus mit uns – schau ma mal was Barnaul zu bieten hat.

Zurück zum Prachtboulevard. Ein Lokal ist uns aufgefallen – mit Neonpalmen davor – glitzernd. Sonst hat das meist schon zu. Wir gehen rein.

Ein mexikanisches Lokal. Echt.

Irgendwie enttäuschend - nach der mongolischen Wildnis und der Fahrt durch das Altai-Gebirge sitzen wir jetzt in diesem mexikanischen Lokal in dem lauter einschlägige Versatzstücke hängen - das überall – in allen Großstädten dieser Welt stehen könnte und knabbern Nachos die von Kellnerinnen in umgehängten Ponchos serviert werden.

OK, zurück zum Hotel, ist eh schon 1.

Keine Kommentare: