5. Tag, Freitag, 7. September 2007, Khoved - Ölgii - Grenze - Tashanta - Kohl-Agach

Ja ja. Es ist 4 Uhr. Wir könnens nicht glauben – wir sitzen schon im Auto – der Motor läuft auch schon.

Die Stadt ist – finster. Richtig. Zappenduster noch – nur im Gegensatz zum Vorabend menschenleer. Eine echte Dark City. Wir sind froh diesem apokalyptischen Ort den Rücken kehren zu können. Rausfinden? Ja hat funktioniert. Laut röhrend wecken wir die Stadt auf.

In die Berge geht’s jetzt - Richtung Norden – Richtung Grenze. Die Straße ist nicht so schlecht – nur das Rütteln halt. Dann im Dunkeln eine Brücke – sogar mit Geländer – aber abgesperrt – soll ma trotzdem drauffahren? Gehen würds. Nein im Dunkeln nicht so gut – also runter – Brücke umfahren! Tatsächlich die Brücke ist in der Mitte eingestürzt – Glück gehabt – aber dafür eine Flußdurchfahrt – mit Allrad steil eine Böschung runter – durch den Fluß – auf der anderen Seite steil die Böschung wieder hinauf – wenigstens war er nicht tief und breit – wenns da länger geregnet hätte – na servas.

Die Nacht ist sternenklar und sehr finster– Neumond!

Die Straße wird schlechter, laut GPS sind wir schon über 2000 m hoch.

Die Nacht kennt hier kein Ende. Schon stundenlang unterwegs und noch immer zappenduster. Endlich der Morgen hat ein Erbarmen mit uns und lässt den Osthimmel sanft erröten.

Was für ein schöner Morgen hier in den Bergen. Es ist kalt draußen aber es ist alles in Pastellfarben getaucht. Fast kitschig.






Etwa 400 km Luftlinie von uns entfernt - so in südwestlicher Richtung - in China - befindet sich der "Eurasische Pol der Unzugänglichkeit". Wos? Das ist der Punkt auf dem eurasischen Kontinent der sich am weitesten vom Weltmeer entfernt befindet. Hat wohl nur akademische Bedeutung.

Es geht hinauf und hinauf. Dann fahren wir lang zwischen 2.400 und 2.600 m auf und ab. Jetzt wird die Straße ganz schlecht – es geht buchstäblich über Stock und Stein. Mühsam weiter. Dann haben wir es offensichtlich geschafft – im Sonnenaufgang windet sich die Straße steil bergab. Es gibt zumindest wieder eine Straße – wenn auch aus Schotter. Die Freude währt nicht lange. Jetzt führt die Straße gerade eine Bergflanke hinab – von der „Straße“ ist aber nicht mehr viel zu sehen. Also wieder grad den Berg runter über Stock und Stein. Ganz vorsichtig nur nix übersehen.

Unten angekommen doch wieder Straße – doch die führt genau durch einen Fluß – steile Böschung runter – auf der anderen Seite steile Böschung rauf – der Fluß schaut tief aus als wir kurz vor der Böschung stehen bleiben – na bitte ned – aber wir müssen dadurch. OK Allrad rein – langsam runter, der Panda taucht mal mit der Schnauze ein, der Fluß ist tief – wir fahren langsam durch – das Wasser rinnt bei den Türen rein – jetzt dass nur nicht der Motor verreckt – weil naß - wir fahren so langsam wie möglich – dann haben wir auch dieses Hindernis geschafft und bleiben mal auf der anderen Seite stehen.

Die Schotterpiste geht so weiter – wir fahren jetzt seit geraumer Zeit wieder bergab – war das der Paß? – wir sind drüber und haben’s vor lauter Konzentration gar nicht so gemerkt – nur noch 80 km bis Ölgii, eine 20.00 Einwohner Metropole, die letzte Stadt hier in der Mongolei, von dort sind’s vielleicht noch 100 km bis zur russischen Grenze.

Neben der Straße ist es weiß – aha – vereist. Doch kälter hier oben als geglaubt.




Aber die Straße ist wieder unfahrbar – Querrippen machen das Fahren unerträglich – jetzt wird’s wirklich schlimm – ok neben der Straße fahren - auch nicht besser – weniger Querrippen zwar – aber ausgedehnte Sandfelder sind zu durchqueren – geht nur mit Allrad – der Sand fliegt nur so über den Panda drüber. Dann auf einmal fahren wir an Knochen vorbei – ein Skelett liegt da – zuerst glauben wir ein Schaf oder eine Ziege – nein auch in der Mongolei tragen Schafe oder Ziegen keine Kleidung – es ist ein menschliches Skelett. Ungut irgendwie.

Wir fahren wieder auf die Straße zurück. Es wird und wird nicht besser. Hoffentlich hält unser Bremszangen-Provisorium vom Vortag.

Seit geraumer Zeit fällt uns aber auf dass der Panda immer öfters durchschlägt – vor allem hinten und auch sonst irgendwie komisch fährt – trotz der Rüttlerei. Wir bleiben zur Sicherheit stehen. Eine Vorahnung. Hinten links ist die Blattfeder gebrochen – genau das Blatt das wir in Ulaanbaatar eingebaut haben. Na super. Zur Sicherheit schauen wir gleich auf der rechten Seite hinten auch nach. Nur so. Gibt’s ja nicht! NEIN. Darf nicht sein – nicht so kurz vor der Grenze – 150 km noch oder so ähnlich genau wissen wirs nicht. Auf der rechten Seite ist die Blattfeder auch gebrochen – auch das mittlere Blatt.

Jetzt schauen wir mal blöd. Wir müssen es irgendwie über die Grenze schaffen – nach Russland – dort gibt es Infrastruktur, Strassen, LKWs, Werkstätten, Mädchen.

Kaum zu glauben dass es auf der Welt ein Land gibt, nachdem man es bereist hat sich darauf freut nach Russland – nach Sibirien - ausreisen zu können.

Also beide hinteren Blattfedern gebrochen – Auspuff am Krümmer abgerissen – wir sind ja noch immer laut röhrend unterwegs – vordere Bremszange rechts ziemlich provisorisch repariert. Zumindest hört man von der Kardanwelle nichts mehr. Und ja die Handbremse funktioniert auch nicht mehr – da hats hinten den Hebel losgebeutelt – nehmen wir mal so zur Kenntnis.

Schaut für die restlichen 150 km ned so gut für uns und den Panda aus. „Like hell“ usw.

Wir fahren vorsichtigst weiter – wir tragen das Auto geradezu. Die Geschwindigkeit leidet halt. Wenn das obere Blatt auch noch bricht – wurscht ob rechts oder links ist die Reise vorbei. Wie wir dann aus der Mongolei wieder rauskommen wollen wir uns gar nicht ausmalen.

Rüttelpiste.

Dann endlich Öglii. Hässliche Stadt mit niedrigen Gebäuden. Keine Ahnung wie es weiter geht. Kein Schild in Öglii dass auf eine Grenze hinweist. Wir haben echt genug von der Mongolei. Wir fahren in der Stadt auf und ab ohne einen wirklichen Hinweis auf einen Weg zur Grenze zu finden. Am Rand einer der Hauptstraßen irgendwo in der Stadt ein kleiner Suzuki-Jeep. Rallye-Teilnehmer. Engländer. Sie haben zwei Tage an der Grenze oben gewartet – auf einen LKW – der sie abschleppt – Blattfeder gebrochen (Aha!) und Kolbenringe defekt. An der Grenze wurden dann noch in der Nacht die Scheiben eingeschlagen und etliche
Ausrüstungsgegenstände gestohlen. Für sie ist die Reise hier in Öglii zu Ende – nach knapp 100 km in der Mongolei. Sie können uns aber auch nicht weiterhelfen – sie wissen nicht wie es aus der Stadt wieder rausgeht – wurden ja nur hereingeschleppt.

Wir besinnen uns und fragen nach der nächsten und zugleich letzten Ansiedlung vor der Grenze – Tsaganoor – ja das kennen sie wieder und weisen in eine Richtung. Dass dahinter Russland ist – scheint ihnen nebensächlich zu sein. Ihre Welt hört mit diesem Ort auf zu existieren. Auch schön.

Also los geht’s. Auf die Rüttelpiste. Ah, ein Straßenschild, die Rüttelpiste geht grad weiter –laut dem Straßenschild wird einem geboten nach rechts abzubiegen – nach Tsaganaoor - natürlich kein Wort von der Grenze. Nach rechts? Da sind Hügel, Felsen. Aber keine Straße. Hä? Wir fahren grad weiter – die Rüttelpiste – nur sicher sind wir nicht mehr.

Wieder neben der Straße- die Schotterpiste ist nicht nur unpassierbar aufgrund der Querrillen – sonder auch gesperrt – weil in Bau. Wir haben Angst dass die Federn nicht halten. Ständig schlagen wir durch. Die Fahrspuren führen wieder näher an die gesperrte Straße heran. Gibt’s ja nicht. Schwarzer Asphalt! Hier? OK kein Zaudern – Allrad rein – über Gräben und Erdwälle auf die gesperrte Straße – kennen wir schon vom ersten Tag.

Die schwarze Asphaltstraße führt stetig bergan. Nach der Karte müssen wir noch mal auf über 2.500 m, die Höhenschichtlinien stehen seltsam dicht – dann in ein Tal, die Grenze selbst ist dann noch mal auf 2.600 m. Sowie der Asphalt begonnen hat ist er auch wieder aus und geht ohne Vorwarnung abrupt in eine der schon so bekannten rumpeligen Fahrspuren über. Aber zumindest sind wir so ein paar Kilometer pandaschonend der Grenze näher gekommen.

Wann ist die Mongolei endlich aus?

Die Piste windet sich bergauf bergab durch die Felsen.

Dann die absolut böse Überraschung – auf einmal biegt die Fahrspur ab – zunächst gar nicht so erkennbar – nicht nach rechts oder links – nein nach oben! Wos?

Ja, die Fahrspur führt gerade einen Berghang hinauf. Gerade, nicht etwa in Serpentinen. Schnurgerade nach oben und steil! Am Anfang geht’s ja noch – zumindest im zweiten Gang, dann zurückschalten in den ersten Gang. Der Panda 4x4 hat einen sehr kurz übersetzten 1. Gang – Gaspedal voll durchtreten – der kleine Motor kreischt und röhrt gleichzeitig – dem taugt das gar ned – wir fahren grad noch mal 10 km/h – kurz vor dem erkennbaren Grat wird’s steiler – 5 km/h bei Vollgas – der gequälte Motor jodelt -jetzt keinen Fahrfehler – kein technischer Defekt – bitte nicht – sonst kugeln wir den ganzen Hang hinunter mit fatalen Folgen – nicht nur für den Panda. 4 km/h – 3 km/h – die Räder sind knapp am Durchdrehen – ist ja Erde/Schotter- wir sind ja auch auf knapp 2.600 m da hat der ohnehin nicht starke Motor keine Leistung mehr – und geschafft - wir sind am Grat – der ist so schmal dass der Panda oben grad Platz hat – auf der anderen Seite des Berghanges geht’s genauso wieder hinunter – grad – ohne Serpentinen. Noch nie so was erlebt oder gesehen. Hinunter auch im ersten Gang – die Lautstärke ist ohrenbetäubend – Auspuff und so weiter.



Und 300 m weiter unten geht’s halbwegs eben weiter. Wahnsinn. Das war der Paß - über den sich einige der Teilnehmer – so wie die Franzosen die wir getroffen haben – ziehen haben lassen. Wir verstehen. Wie aber so ein LKW da drüber kommen soll ist uns ein Rätsel. Der muß ja auf dem schmalen Grat aufsitzen. Das erklärt auch die große Bodenfreiheit der russischen LKWs dort. Jetzt geht’s zwischen einem wunderschönen Bergpanorama durch das Hochtal. Darüber wölbt sich ein großartiger klarer blauer Himmel – mit flachbasigen, scharf begrenzten Cumuli. Toll.Das dort irgendwo zwischen den spektakulären Bergen eine Grenze sein soll bleibt immer noch Vermutung – nichts weißt darauf hin.

Rechts neben der Piste taucht Tsaganoor auf – ein paar weiße Gebäude inmitten dieser großartigen Landschaft. Aus der Ferne betrachtet erinnert es an Mos Eisley auf dem Planeten Tatooine (ist nur was für „Krieg der Sterne“-Fans).

Die Piste führt wieder bergauf – aber lang nicht so steil – sie ist auch breiter geworden. Gebäude voraus. Ja es ist die Grenze. Es ist halb 2 am Nachmittag – ned so schlecht.

Also wir glauben es ist die Grenze. Keine überdachten Fahrspuren. Komisch. Ein paar Baracken auf der Seite, ein größeres Holzhaus und umzäunte Jurten. In so was werden wir herein gewunken – von einem Soldaten in ziemlich nachlässiger Montur. Er kontrolliert unsere Pässe – gibt sie uns zurück und gibt uns zu verstehen dass die Grenze erst um 2 Uhr wieder aufsperrt – offensichtlich Mittagspause – auch gut. Wart ma halt. Der Uniformierte verschwindet in der Jurte, kehrt nach einiger Zeit wieder in halbem Räuberzivil zurück- mit einem Wasserschaffel – und beginnt sich vor der Jurte in der Nachmittagssonne seine Füße zu waschen.



Ein russischer Jeep fährt auf der Straße auf und ab. Manchmal sieht man weitere Uniformierte. Unser Grenzsoldat ist in der Jurte verschwunden. Mittagsschlaferl?

Um viertel Drei wird’s uns zu blöd – es tut sich noch immer nichts – wir fahren ein wenig nach vor. Ein rot-weiß-roter Zaun sperrt die Straße ab. Ein LKW davor – das kann ja nicht die Grenze sein. Wo sind wir hier? Der LKW Fahrer vor uns bekommt einen Zettel gereicht – offensichtlich gegen Geld – wir bekommen auch so einen Wisch – steht irgendwas kyrillisches drauf – keine Ahnung was das ist. Wir verfolgen den Zettelausteiler in eine Baracke. Wir wollen wissen wie es jetzt weitergeht – was zu tun ist. OK sie wollen Geld haben für den blöden Zettel. Wir geben ihnen unsere letzten Tögrögs – grad mal ein paar Cent – dementsprechend unfreundlich reagieren sie. Das kann nicht die Grenze sein – das sind ein paar uniformierte Gauner. Wir gehen aus der Baracke – umfahren den LKW – öffnen den rot-weiß-roten Gattern der die Straße absperrt und fahren unter den dann doch etwas erstaunten Augen der herbeigelaufenen mongolischen Grenzsoldaten weiter. Kurz danach gehen blau unifomierte Grenzer – die schauen vertrauenswürdiger aus – eine Frau will unsere Pässe sehen – mitten auf der Straße –na gut – sie gibt sie uns wieder – und deutet uns weiterzufahren –und ja da vorne ist das Grenzabfertigungsgebäude – modern sogar – scheinbar ganz neu gebaut - mit überdachten Fahrspuren – wir fahren bis zur Linie vor – wir sind das einzige Auto hier oben.

Hinein in das weiße Gebäude. Soldaten mit umgehängten AK-47 sind zu sehen. Wo sollen wir hin? Man merkt die haben gerade zu arbeiten begonnen – und haben nur mäßige Freude mit uns. Man gibt uns zu verstehen – hier – ja genau hier warten! Kurze Zeit später - ein Wink – aha da müssen wir rein. Scheinbar der Zoll. Sie wollen alle Autopapiere sehen. Die haben ja Computer hier oben. Windows XP mit diesem grauslichen Hintergrundbild. Zu dritt sitzen sie vor zwei Bildschirmen. Es gibt Probleme. Das Auto scheint nicht zu finden zu sein. In keiner mongolischen Datenbank eingetragen. Großes Problem. „Big problem“ gibt man uns zu verstehen. Wir versuchen mit Händen und Füßen zu erklären – warum wir mit diesem Auto hier rausfahren wollen und wie es in die Mongolei gelangt ist – mit einem anderen Fahrer über einen anderen Grenzübergang – nämlich den zweiten Übergang von Russland in die Mongolei – gleich nördlich von Ulaanbaatar - 1800 km weiter östlich. Die eine blaue Uniformierte spricht wenigstens ein paar Brocken englisch.

Stromausfall.

Nach 5 Minuten booten die Computer wieder. Regt dort keinen auf. Sie bemühen sich aber zumindest. Was wir auf keinen Fall wollen ist nach Ulaanbaatar zurückgeschickt zu werden - das schafft der Panda auf keinen Fall mehr.

Die blaue Uniformierte – uns offensichtlich zugetan – hat eine Idee. Steht auf – geht zur gegenüberliegenden Wand – da sind einige Zettel angepinnt – Kommt mit einem der Zettel zurück. Wir glaubens nicht – vier Zeilen drauf – in einer erkennen wir unser Kennzeichen W-ASH77. Ja ja das ist unser Auto – die Grenzer verziehen keine Miene – wurscht – wir freuen uns und deuten ständig auf die Zeile mit unserem Kennzeichen.

Stromausfall.

Sieben Minuten später laufen die Rechner. Ja und jetzt geht’s, unsere Daten und die des Autos werden in irgendeine, von Millionen, Milliarden Datenbanken auf dieser Welt, eingegeben – diesmal halt auf 2.500 m in einer verlassenen Grenzstation. Schon komisch – die vernetzte Welt.

OK, diese Hürde genommen – wir sollen raus zum Auto – zwei Soldaten werden das Auto in Augenschein nehmen – gibt man uns ziemlich eindeutig zu verstehen. Gut – wir raus zum Auto. Ein Soldat kommt – wir müssen alles aufmachen – aber nix ausräumen. Dann kommt eine junge Soldatin – nochmals das ganze – sie lächelt freundlich. Wir zurück.
Schadet ja nicht.
Dann wieder in das Gebäude. Im Gebäude ist uns schon vorher eine Art Budel aufgefallen – hinter der auch eine Uniformierte sitzt. Es ist die Passkontrolle. OK das müssen wir noch erledigen. Wir stellen uns an. Gehört sich ja – auch wenn wir die einzigen im Gebäude sind. Ob wir keine Immigration Card haben werden wir gefragt – nein haben wir nicht – sagt uns ja auch keiner - zurück zu Feld 1 – heißt zum Schreibtisch beim Eingang und eine Immigration Card ausfüllen – na zumindest gibt’s die in Englisch. Wieder anstellen.

Dann heißts „feif minits“, was ist mit ihr? Jetzt mußs aufs Klo? Oder was? Eine viertel Stunde später sind die Visa abgestempelt. Wir dürfen zum Auto und weiterfahren. Am Stacheldraht angekommen – nochmals Passkontrolle – das Tor öffnet sich und wir sind aus der Mongolei draußen. Wir haben es echt geschafft – es macht sich ein Gefühl der Zufriedenheit breit und der Gewissheit dass ein ziemliches Abenteuer hinter uns liegt.

Aber vor uns Russland – und der russische Zoll!

Es geht weiter bergauf! Rumpelstrecke. Uns ist wurscht –jetzt kann auch der Panda eingehen – wir sind aus der Mongolei draußen.

Dann schon von weit erkennbar – Stacheldraht – die weiß-blau-rote Fahne – ein verfallenes Gebäude. Russland. Für uns das gelobte Land. 2.600 m. Doch dahinter die russische Realität in Gestalt zweier ziemlich grimmig dreinblickender Grenzsoldaten – keine Asiaten –ziemlich russisch. Wir wären auch grimmig, müssten wir hier in der kalten Bergeinsamkeit Dienst schieben. Wir stehen vor dem Stacheldraht, die beiden verschwinden mit unseren Pässen. Nach geraumer Zeit erhalten wir unsere Pässe zurück mitsamt einem wichtig aussehenden Zettel in A4-Format – wieder viel Kyrillisches drauf –wir erkennen aber die Uhrzeit – scheint wichtig zu sein – heben wir ihn halt auf. Die Stacheldrahttür öffnet sich, dahinter eine Straße – eine echte Straße – Asphalt mit Mittelstreifen und Seitenmarkierungen, Straßenschilder sind auch zu sehen – he das hatten wir ja schon lang nicht mehr. Größer kann der Kontrast nicht sein – vor dem Stacheldraht Piste –hinter dem Stacheldraht eine schöne Asphaltstraße. Der Stacheldraht zieht sich links und rechts bis zum Horizont. Komisch das war vor 15 Jahren noch ein Land – die
Sowjetunion.

Als erstes bauen Menschen, kaum dass sie glauben sie wären frei, Zäune aus Stacheldraht und Grenzabfertigungen und stellen Zöllner an – und sperren sich dabei selber ein.

Kurz auch der Gedanke den russischen Boden zu küssen – so froh sind wir aus der Mongolei draußen zu sein – so wie unser derzeitiger Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer vor vielen Jahren, der kaum aus der AUA-DC9 heraußen – auf die Knie gefallen ist und den Moskauer Flughafenboden abgeknutscht hat – wenn auch aus anderen – aus weltanschaulichen Gründen. Naja kennen wir alle – jeder hat wohl in der Jugend seine linken Phasen – bevor in die Wirklichkeit wieder einholt.

Apropos Wirklichkeit – genug der Abschweifungen – zurück in die Bergwelt auf 2.600 m.

Die Straße führt bergab – war das schon die russische Grenze? Nein kann nicht sein. Gibt’s ja nicht. 25 km führt sie bergab – die Asphaltstraße – was für eine Wohltat – für uns und das Auto. Und dann taucht Tashanta auf – die russische Zollabfertigung ist hier – die Straße ist abgesperrt – ein ziemlich große Grenzabfertigung - Stacheldraht, Kameras, Wachtürme, grimmig drein blickende Grenzsoldaten. Wirkt alles irgendwie unmenschlich – auch angsteinflössend – ein bissl.

Ein Jurtentaxi vor uns - wo wollen die hin? Einer der Grenzer winkt uns – der wichtige A4-Zettel ist gefragt – scheinbar nur ob wir ihn überhaupt haben – wir müssen durch einen Wassergraben fahren – gleich danach steht einer und spritzt unsere Räder mit einem Hochdruckschlauch ab – Desinfektion vielleicht? Schaut aber wie Wasser aus! Er will 5 US$ dafür. OK kriegt er. Schließlich haben die Grenzsoldaten keinen Zweifel daran gelassen dass das unbedingt notwendig ist um bis zum Stacheldrahttor vorgelassen zu werden.

Nach einiger Wartezeit dürfen wir hineinfahren – in die überdachte Grenzabfertigung - es ist schon nach 5. Was jetzt? Wohin? Zumindest sind wir mal drin – das heißt wir kommen heute auch wieder raus – oder? In das Gebäude links der Straße – da gehen alle rein, LKW-Fahrer, doch zwei Privatautos sind noch da – gut gehen wir halt auch rein. Eine Schleuse – Passkontrolle – dahinter eine Russin in Uniform – wir geben ihr unsere Pässe – Immigration Card? Nein haben wir nicht. Sie verdreht die Augen. Gibt uns A5-Zettel –alles auf kyrillisch – wir fragen „English please?“ – sie verdreht sichtlich noch genervter die Augen – aber wir bekommen eine englische Übersetzung – in zweifacher Ausfertigung müssen wir diese Kaszetteln ausfüllen – alles was auch im Paß und im Visa steht! Wir hassen es. Dreimal wird unser Konterfei mit dem Passfoto verglichen – sie deutet uns – rasieren hätt ma uns schon können – irgendwie wie das Suchbild in der Kronenzeitung – „finden sie die 5 Fehler“ – findet sie aber nicht – Gesicht passt trotz Abenteurerbart mit dem Foto überein. Wir dürfen an der gestrengen genervten Blondine die Schleuse passieren.

Und wie geht’s weiter? Keiner sagt was. Aha in ein Büro um die Ecke. Dort wird der Paß kontrolliert und in ein Buch irgendwas eingetragen. Zeile für Zeile. Man bedeutet uns in das nächste Büro weiterzuziehen. Dort genau dasselbe – wieder wird Zeile für Zeile
händisch irgendwelche Daten in ein Buch eingetragen – diesmal aber von einer Frau. Das ist der einzig erkennbare Unterschied. Wohin jetzt – nach vorne wieder? Oder stehen bleiben? Wie geht’s weiter? Ah ok dort neben der Schleuse – ein Schreibtisch – nochmals Passkontrolle – der
unfreundliche Grenzer deutet auf ein Büro dahinter – wir erkennen unter einer Menge kyrillischer Buchstaben „Custom“ – jetzt ist der Zoll dran. Vor dem Schreibtisch mit dem unfreundlichen Grenzer – ein Mann und eine Frau – sprechen die Deutsch? – ja es sind Deutsche. Wir hören nur so was wie „...das gibt’s ja nur in Russland...“ und zu uns gemeint „...wir werden schon noch sehen…“ – eine Drohung? Hä?

Im Zollbüro.

Ein junges Mädchen dahinter – ein wenig hilflos wirkend – aber sie lächelt recht nett. Kein Wort Englisch. Wir müssen eine Zollerklärung ausfüllen. Nein, das kyrillische Formular wollen wir nicht – wir wollen ein englisches – bekommen wir auch – sie schaut in ihrem kyrillisches Formular mit was wir auszufüllen haben – sie ist hilflos aber hilfsbereit zugleich irgendwie. Was sollen wir da ausfüllen? Das Auto betreffend? Import? Export? Temporärer Import? Temporärer Export? Transit? Wir wissen es nicht – aber wir müssen aus Russland auch wieder raus –zwar etliche 1000 km päter aber trotzdem – und wir wollen nicht wegen Autodiebstahls oder Zollvergehen belangt werden.

Sie verschwindet für einige Minuten und kehrt mit einem strengen Grenzsoldaten zurück – zwei Sterne am Kragen – sicher urwichtig der Typ – vom Rang her Feldmarschall oder Konteradmiral - war ja keiner von uns beim Bundesheer – rächt sich jetzt – wie sollen wir wissen welchen Rang der hat – aber zwei Sterne – urwichtig. Der Zwei-Stern-General will unsere Autopapiere sehen – er spricht sogar eingeschränkt ein paar Worte Englisch - hackt in den Computer.

Die zwei LKW-Fahrer hinter uns werden nervös. Einer von ihnen hat lauter Goldzähne. Kein Problem für unseren Zweistern. Bearbeitet drei Fälle gleichzeitig. Schreibt in zwei Bücher gleichzeitig und in den Computer. Der ist echt multitaskingfähig.

Wir erkennen aber – der Zweistern will uns helfen. Schreibt uns vor wie wir das Formular auszufüllen haben. Nebenbei gibt er die Daten des Pandas in den Computer ein – die nächste Datenbank wird gefüllt. Dann frägt er „osbauer?“ osbauer?“ hmm – was will der Zweistern? Gusenbauer? Sollen wir den Boden küssen? Nein der Zweistern meint wieviel „Horsepower“ - also Pferdestärken hat der Panda? Ahso ok! Tschuldigung – falsch verstanden. Forty-Eight wärens genau.

Echt kafkaesk das ganze.

Das Mädel hält uns, während ihr Zweisternfreund fleißig seine Bücher Zeile um Zeile füllt, einen Zettel vor die Nase – drauf steht „Insurance?“. Wir verstehen natürlich. Auch in Russland braucht man – na was wohl? Genau! Eine russische Autoversicherung für ausländische Autos! Ja brauchen wir. Sie hat das wohl befürchtet und kehrt mit einem Packen Zettel wieder. Ja, das muß SIE alles ausfüllen – gibt sie uns nonverbal zu verstehen.

Um es „kurz“ zu machen (Schmäh oder?) – es funktioniert alles –wir bekommen eine russische Autoversicherung für ausländische Autos – sogar mit Unfallbericht in den Unterlagen – und russische Autopapiere für unseren Panda ausgestellt – „for road police“ wie der Zweistern dann
meint – haben wir auch schon gehört - mit der russischen road police ist nicht zu spaßen.

Dann dürfen wir hinaus zum Auto – alles auf – Heckklappe – Motorhaube – Türen – alle Taschen ausräumen – alle Taschen aufmachen – der eine Grenzsoldat stierlt ein bissl herum – wir dürfen wieder einräumen – einer der Grenzer sieht uns dabei zu und grinst – wir grinsen zurück. Wir bekommen einen Stempel – mit dem Formular zurück zum Zweistern – der hackt weiter in den Computer – stempelt irgendwelche Formulare ab. Wir dürfen fahren.

Der urwichtige aussehende Zettel, den wir oben in den Bergen von den zwei einsamen Grenzsoldaten bekommen haben, hat mittlerweile vier Stempel bekommen.

Auf der linken Seite in der Grenzstation steht ein riesiger 3-achsiger LKW mit deutschem Kennzeichen. Das sind sicher die Deutschen die wir kurz vorher am Zoll getroffen haben. Groß steht drauf „Porsche“. Ja das ist die Porsche-Rallye. Da fahren betuchte Deutsche mit Porsche Cayennes durch Sibirien und die Mongolei – und wenn sie Lust drauf haben dass ihnen der Hintern ausgewischt wird – wird ihnen der Gefallen seitens der Organisation auch getan.

Es ist ein Ersatzteil-LKW der der Rallye gefolgt ist. Sie hängen seit zwei Wochen hier fest. Die Papiere passen nicht. Seit zwei Wochen hier an diesem Ort. Erschreckende Vorstellung. Die Gestrandeten könnens gar nicht glauben dass wir es so schnell geschafft haben. Es ist halb 7, die
ganze Grenzabfertigung – Mongolei – Russland hat knapp 5 Stunden gedauert. Ned so schlecht.
Wir dürfen ihre Russland Karte abfotografieren – ist aber nur so eine kleine Übersichtskarte – na besser als nix. Wir haben nämlich keine. Erst ab dem Ural wieder sind wir kartentechnisch ausgerüstet. Besser auf der Digicam als gar nix. Wir müssen an den Spanier auf seiner Vespa denken.

An der Ausfahrt wird uns der Zettel mit den vier Stempeln abgenommen, die Pässe noch mal kontrolliert – und wir sind entlassen.

Russland vor uns.

Der Panda meldet ein dringendes Bedürfnis mit Hilfe einer orangen Warnlampe an. Bitte tanken.

Gleich nach der Grenze eine Tankstelle. Der nimmt aber keine US$. Rubel haben wir aber nicht. Euro vielleicht? Kennt er nicht.

Gut weiter.

Kurz danach eine Ortschaft – lauter Häuser aus dunklem Holz. Wir fragen bei zwei Tankstellen – keiner will US$ - gibt’s ja nicht - was soll das- früher war das offizielles inoffizielles Zahlungsmittel – und jetzt will hier keiner US$ nehmen. Was ist da passiert!

Wir fragen nach „Change“ – der eine Tankwart versteht was wir meinen und meint im nächsten Ort gäbe es eine Bank. Die 30km schaffen wir auch noch. Langsam sollten wir uns auch um eine Bleibe für die Nacht umschauen. Die Sonne geht grad unter.

Vor den ersten Gebäude von Khol-Agach große, sich langsam drehende Radar-Antennen. Der Ort besteht aus lauter dunklen Holzhäusern – gleich bei der ersten Tankstelle (auf den ersten 50 km in Russland so viele Tankstellen wie in der gesamten Mongolei) fragen wir – nein auch sie nimmt keine US$ - aber wir sollen es morgen bei der Bank versuchen – verstehen wirzumindest – wir fragen weiter „Gostinija?“ also Hotel bzw. Pension? Ja gibt’s hier – die Hauptstraße in den Ort rein und dann links Richtung Schule. Mit Händen und Füßen erklärt.

Das „Hotel“ ist eine unbeschreibliche Bretterbude, aus allen möglichen und unmöglichen Materialien (Holz, Gips, Styropor, Spanplatten, Knäckebrot), auf eines der raren Steinhäuser oben drauf, zusammengezimmert. Einfach unbeschreiblich. Kurze Verhandlung mit den Inhabern – ein Pärchen – sie Asiatin – er Mischling – beide bloßfüßig und vorsichtig ausgedrückt, nachlässig gekleidet – sie wollen auch keine US$ - wir sollen morgen auf die Bank, nein wir wollen jetzt das Zimmer – wurscht aus welchem Material es besteht – wir rühren uns nicht von der Stelle – OK Taschenechner wird geholt – 10 US$ pro Kopf – sauteuer – aber was bleibt uns übrig. Wir nehmens. Dafür bekommen wir ein Zimmer mit Familienanschluß. Die Zimmer sind in der Holzpawlatschen neben der Küche und dem Wohnzimmer angeordnet. Wir wohnen neben den Eigentümern. Sie bieten uns auch an die Küche zu benutzen – ja werden wir auch – aber vorher haben wir noch was zu tun. Der Panda – dem gehts nicht so gut.

Wir dürfen in den Hinterhof fahren – der voll mit Gerümpel ist.

Direkt vor der Eingangstür laden wir den Panda aus, hinten links Rad runter – wir haben ja noch eine Blattfeder. Also Blattfeder tauschen – können wir schon. Zangl, zangl – Rostlöser – nur die zweite Blattfeder die wir mithaben ist ein wenig mehr gekrümmt – passt nicht ganz – die Hinterachse verwindet sich wieder – kennen wir auch schon – Seil her – mit Hammerstiel verdrillen – einige Russen, es ist ein ständiges Kommen und Gehen, schauen uns begeistert zu.

Die Handbremse reparieren wir auch gleich.

Finster wird’s – Stirnlampen helfen.

Irgendwie rutschen die Blattfedern zusammen. Wir können sie mit der Hinterachse verschrauben. Nur das mittlere Blatt passt nicht ganz – zu sehr gekrümmt und übt auf das obere Blatt an zwei Stellen zuviel Druck aus – nicht gut.

Wo bekommen wir Einlagebleche her um den Druck gleichmäßiger zu verteilen? Wir stemmen ein Auflageblech aus dem Panda heraus – hämmern es gerade – das ist unser erstes Zwischenstück - wir schlagen es zwischen die zwei Blattfedern – passt - fixiert wird es mit Silvertape (Dank an die Entwickler der Firma Tesa – echt super Produkt – marsflug
geeignet).



ja, genau wie der da...blöd kann man ja sein, zu helfen muß man sich wissen...

Fehlt noch das zweite. Ah, unser Augenmerk fällt auf den Abschlepphaken vorne am Panda – er besteht aus flachem Bandstahl. Genau die richtige Dimension. Wir müssen ihn nur absägen. Nach 10 Minuten mit der Metallsäge geben wir auf – es ist zu finster – wir sind zu müde – es ist zu spät – wir sind zu hungrig – der Stahl ist zu zäh – die Metallsäge vielleicht zu stumpf - wir lassens einfach gut sein.

Was gibt die Proviantkiste her? Spaghetti und Pesto von Barilla – nau, nicht das schlechteste. Oben in der Küche – ein Gasherd – daneben die nur wenig verrostete Gasflasche – sehr vertrauenerweckend in dem ganzen skurrilen – aber sicher sehr gut brennbaren Umfeld.

Wasser kocht im Teekessel – anderes Geschirr finden wir in dieser Küche nicht. Spaghetti hinein - gleich die ganze Packung.

Im Wohnzimmer gleich nebenan – noch andere Gäste – vier Russen. Sie sehen uns in der Küche werken. Kommen zu uns – bieten uns ihre selbstgemachten Blinis an – vor lauter Hunger nehmen wir gerne an – und dann steht vor jedem von uns – ein Achtelglas Wodka – „drink – drink – drink“ schallts aus dem Wohnzimmer – kaum ausgetrunken – ist es schon wieder gefüllt.

Es sind Moskauer, die im gleich nahe liegenden Altai-Gebirge fischen wollen. „Moskau – work – nix drink“ will uns der eine weismachen. Na sicher.

Die Spaghetti sind auch fertig – mit Barilla Basilikum-Pesto ein echter Kontrast zu wodkasaufenden Moskauern in dieser echt grotesken Unterkunft.

„Drink – Drink – Drink“ heißts immer wieder. Die sind echt nett! Wir wollen nicht zurückstehen und bieten ihnen unseren mongolischen Wodka an. Sie stellen uns anheim damit nach eigenen Gutdünken zu verfahren, also Lack abbeizen oder in den Tank des Pandas leeren.

Wir müssen aufgeben. Eines langen Tages Abend endet in einem Wodkarausch.

Der lustige Inhaber knotzt auf einem Sofa in einem Zimmer daneben, ein neues Notebook auf den Knien, spielt Solitaire, der Fernseher läuft daneben. Die Szene passt so gar nicht in die Bretterbude.

Es war unser längster Tag.

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