4. Tag, Donnerstag, 6. September 2007, Irgendwo im Nirgendwo - Altaj - Khoved

Was schon halb 8? So lang geschlafen? Wenigstens war’s nicht kalt. Die Sonne ist auch schon aufgegangen. In der Morgensonne schaut die Ebene wenigstens nicht so deprimierend aus. Kaffee geht sich auch noch aus – wofür haben wir denn den Benzinkocher?

Und weiter geht die Rumpelei, wenigstens ist die Fahrspur eindeutig erkennbar und ohne Abzweigungen.

Tagesziel ist, wir schätzen 520 km entfernt, Khoved. Das müssen wir diesmal schaffen. Sonst wird’s am Freitag mit der Grenze knapp.



Einige Fahrzeit später winkt uns ein Mongole, wir sollen stehen bleiben – sein Auto ein ziemlich moderner Geländewagen steht ein wenig abseits der Straße – er hat ein kanadisches Kennzeichen. Aha.

Wir verstehen was er uns sagen will – sein Auto ist defekt – wir sollen ihn ein Stück mitnehmen – er zeigt auf drei Jurten – die entfernt in den Hügeln zu sehen sind – ok mach ma. Nur im Panda gibt’s nur die Vordersitze. Kein Problem für den Mongolen – der ist sicher die überladenen Jurtentaxis gewöhnt. So sitzen wir zu dritt. Schalten geht nicht mehr – nur mehr der dritte Gang. Er erzählt irgendwas von Kanada. Was will der in Kanada? Kommt er von dort? Will er dort hin? Nach kurzer Fahrzeit will er aussteigen – er bedeutet uns dass er zu Fuß gehen will. OK.

Dann die Metropole: Altaj. 18.000 Einwohner. Was lesen wir noch: Jahresdurchschnittstemperatur – 1,5 °. Naja wir sind ja ständig zwischen 1200 und 1500 m unterwegs. Wir müssen nicht mal durch die „Stadt“. Die Straße geht seitlich vor bei und dann tatsächlich ein Schild nach Khoved. Eines von den drei in der gesamten Mongolei. Wir freuen uns. Sprit haben sie auch für uns. Wenigstens haben wir kein Problem mit der Benzinversorgung. 70 Cent ein Liter – happig. In der Mongolei gibt’s neben Diesel zwei Sorten von Benzin 92 Oktan und 80 Oktan, 76er haben wir auch gesehen. Also das ist nur was für russische LKWs und für langjährige Drogensüchtige.

Nach 30 km Schotterpiste sehen wir schon aus der Ferne ein abgestelltes Auto auf der anderen Straßenseite. Nicht dass das etwas besonderes wäre denn abgestellte defekte Autos haben wir genug gesehen – eigentlich mehr als fahrende. Nur dieses hier ist gelb.

Es sind Teilnehmer der London Mongolia Rallye auf dem Weg nach Ulaanbaatar. Auch ein Rallye Auto. Ein Renault R4. Ein französisches Brüderpaar. Sie haben sich in der Nacht zuvor mit dem Auto überschlagen, dabei ist der Rahmen gebrochen. Ihnen ist nix passiert. Ein Stück sind sie dann noch weitergefahren – aber genau an der Stelle wo sie jetzt stehen war dann der Kühler auch hin. Endstation für die zwei – Rallye vorbei. Sie warten nur noch auf einen LKW der sie abschleppt. Kann dauern bis da einer vorbeikommt. Sie wollen sich nach Altaj schleppen lassen und von dort irgendwie weiter nach Ulaanbaatar.



Sie packens gar nicht – dass wir mit dem Panda zurückfahren wollen – nach Wien.

Eines beunruhigt uns aber als sie von ihrer Route erzählen. Die 200 km nach der Grenze in der Mongolei „was like a Nightmare“ – so schlechte Straßen meinen sie – und sie haben sich über einen Paß ziehen lassen – von einem geländegängigen LKW – sonst wären sie nicht drübergekommen. Aha, schlechter als das was wir bisher erlebt haben wird’s schon nicht sein.

Noch schnell „Alles Gute“ gewünscht – und weiter fahren wir. Nach ein paar Kilometern ist die Schotterpiste auf gut 100 m von einem Fluss überschwemmt. Aha. Gut. Durchfahren halt. Nach zwei Drittel der Strecke durchs nicht allzu tiefe Wasser – es spritzt aber ziemlich – hat der Motor keine Leistung mehr – im zweiten Gang geht’s noch halbwegs. Am trockenen Schotter – Motorhaube auf – die Zündkerzen stehen unter Wasser. Küchenrolle her – alles dabei – Motor trocken legen. Nach 10 Minuten geht’s wieder weiter.

Damit es nicht so fad wird im Schnelldurchlauf: Fahrspuren – Steppe – Jurten – Fahrspuren – wieder Ebene – Rumpelei – Schotterpiste – Fahrspuren – Flussläufe ausgetrocknete (fürchterliche Rumpelei).

In der Ebene fängts zu regnen an. Irgendwie deprimierend. Die Sicht ist eingeschränkt. Grau in grau. Jetzt wird’s öha. Wo ist die Fahrspur? Ned scho wieder!

Als wir knapp an einer Jurte vorbeifahren – winkt uns der Bewohner – wir sollen stehen bleiben. Er lächelt freundlich – klopft aufs Lenkrad – redet irgendwas. Er ist scheinbar nur neugierig. Wir fragen ihm nach dem Weg nach Khoved. Ja ja wir sind richtig da – auf seiner Fahrspur.

Wir trauen unseren Augen kaum, ein paar Kilometer weiter kommt uns eine Vespa entgegen. Ja genau eine Vespa. Na wir quietschen uns ein. Die Vespa auch. Unglaublich die Geschichte. Ein Rallyeteilnehmer. Ein Spanier. Er ist vor 47 Tagen in Madrid (!) weggefahren – alleine - auf seiner 200er Vespa – voll bepackt. Er hat viel zu erzählen. Auf seine ersten Kilometer in der Mongolei angesprochen meint er, die ersten 200 km wären „like hell“ gewesen, er habe für die 200 km 9 Stunden gebraucht, die Vespa durch Flüsse getragen – vorher das ganze Gepäck runter – das Gepäck durch den Fluß dann getragen, einen Paß hinauf habe er absteigen müssen und die Vespa mit eingelegtem Gang und laufendem Motor drübergeschoben. Aha – so ähnlich haben die Franzosen am Vormittag mit ihrem zerstörten R4 auch geklungen. Na servas.

Er hat keine Karte von der Mongolei dabei, keinen Kompaß, kein GPS. Er fotografiert unsere Karte mit seiner Digicam – da kann er sie zumindest am Display anschauen. Er ist froh über unseren Vorschlag. In der
Mongolei wird er aber Probleme mit der Reichweite der Vespa bekommen – sagen wir ihm noch – da sind die Tankstellen doch noch weiter auseinander – als in Aserbaidschan und Kasachstan und wo er sonst noch durchgefahren ist.

Viel Glück, Jaime Adan.

Unsere besten Wünsche hat er für die 1200 km nach Ulaanbaatar und unseren Respekt. Er ist heute noch lange Gesprächsthema.

Mah, die Ebene und der graue Himmel sind deprimierend. Noch eine Ansiedlung – jetzt wird’s schon langsam mühsam – wo geht’s denn hier wieder raus. Also wieder fragen – und gut wars – wir hätten wieder instinktiv die falsche Piste genommen.



Ab hier wird die Schotterstraße unfahrbar. Sie schaut zwar schön aus – ist aber in sehr kurzem Abstand von Querrillen durchzogen. Für den Panda mit seinem kurzen Radstand und den kleinen Rädern gibt es keine Geschwindigkeit dafür – es ist zum Auszucken. Es rüttelt gewaltig. Die Schrauben fallen im Fahrzeuginneren heraus. Es ist nicht fahrbar. Teilweise fahren wir neben der Straße auf den Fahrspuren – die sind aber auch schon von diesen Querrillen durchzogen.

Fast zum Verzweifeln. Das Auto rüttelt und schüttelt und ist fast nicht auf der Straße zu halten – zweimal stehen wir fast quer.

Nach einiger Zeit gibt’s deutliche Geräusche von vorne – vom Fahrwerk. Wir bleiben stehen. Nix zu sehen. Weiter geht’s.

Deutliche Geräusche. Hilft nix – Rechts vorn muß das Rad runter. Naja Dilemma – die Bremszange ist am rausrutschen. Wir haben das Haltblech verloren. Woher so ein Halteblech nehmen? Wir räumen den Panda aus. Vielleicht find ma ja was – unter den Ersatzteilen. Ned wirklich! Also improvisieren. Ein kleines Auflageblech, auf dem die Platte im Panda aufliegt, stemmen wir heraus – ist eh nur reingenietet. Das wird mit dem großen Hammer zurechtgebogen und gerade geklopft – wenigstens guter Stahl. Dann mit ein paar kräftigen Hammerschlägen gefaltet – es passt hinein – super. Jetzt noch sichern. Wir finden einen dickeren Draht. Aus dem basteln wir uns eine behelfsmäßige Sicherung – durchgesteckt – umgebogen. Sollt halten.

Während wir da so arbeiten bleibt eines dieser Jurten-Motorräder stehen. Zwei Jungs drauf. Schauen neugierig zu. Fragen „Bensin?“ und deuten auf den Panda? Ja sicher. Einer von den Youngsters öffnet den Tankverschluss am Motorrad. OK sie wollen Benzin haben. Wir schenken ihnen 7 Liter aus einem der Reservekanister. Sorgt für gutes Karma – sind ja in einem buddhistischen Land. Scheinbar haben die Einheimischen auch Probleme mit der Spritversorgung.

Nach einer Stunde geht’s wieder weiter auf der Rüttelpiste. Da sollten die Autohersteller mal ihre neuen Autos testen. Bleibt sicher keines heil.

Auf einmal röhrt der Motor laut auf. Hat der Auspuff ein Loch? Schau ma mal. Nein Loch hat er keines. Dafür sind alle Krümmerbolzen abgerissen und der Auspuff liegt unten am Schutzbügel auf. Dafür haben wir ja den Schutzbügel – er schützt nicht nur von Steinen – nein er verhindert auch dass der Auspuff wegfliegt. Super. Was noch alles.

Jetzt im Sonnenuntergang geht’s rüttelnderweise röhrend bergauf. Khoved liegt auf 1500 m.



Vorher aber noch ein Paß auf knapp 2000 m laut Karte. Wir wollen aber nicht im dunkeln fahren – müssen aber. Wann hört das Rütteln endlich auf. Jetzt wird auch noch finster. Wenigstens sind wir schon oben am Paß, es ist ewig nach oben gegangen. Es geht wieder steil nach unten und in der noch nicht vollkommenen Dunkelheit ist in einer Ebene vor uns die
Stadt zu erkennen – schlecht zwar zu erkennen aber immerhin die Stadt. Die Straße führt gerade hinab – ohne Serpentinen – aber – es werden noch geschätzte 5 Km sein, auf einmal Asphalt. Hurra Rütteln aus!

Es ist sehr dunkel - kein Mond - als wir die Stadtgrenze von Khoved erreichen. Plötzlich erst im letzten Moment zu sehen – Steine quer über die Fahrbahn. Wer macht so was? Wir können gerade noch auf die Seite ausweichen! Sowas haben wir auch noch nicht gesehen – die Stadt ist finster – stockfinster – kein Licht. Keine Straßenbeleuchtung – grad mal aus ein paar Fenstern
dringt gedämpft Licht nach draußen. Wir werden sie später Dark City nennen. Eine Tankstelle hat noch offen – wir tanken im finstern. Menschen auf der Straße – gar nicht sowenig – ist ja die Metropole im Westen der Mongolei – 30.000 Einwohner – und so finster.

Was sagt denn der Lonely Planet zum Thema „best Hotel in Town“? Ned viel – es gibt nur ein Hotel.

Wir fahren hin – es ist unbeleuchtet bis auf zwei rote Neonbuchstaben die vom gesamten Schriftzug noch leuchten. Ein trister Eindruck. Drinnen sind sie ganz sicher über uns überrascht – kurze Diskussion – sie verstehen uns nicht ganz – verstehn nicht gleich was wir wollen – und dass wir in US$ zahlen wollen – unsere Tögrögs sind aus. Unsere Uhr stimmt auch nicht mehr – andere Zeitzone schon. Zumindest haben wir eine Stunde gewonnen.

Ein Taschenrechner wird geholt – wir können bleiben – 10 US$ macht’s aus. OK.

Eine Frau führt uns durch einen großen Stiegenaufgang in den zweiten Stock. Alles finster drin – kein Licht – wir nehmen unsere Stirnlampen zu Hilfe - Die Wände sind in dunklem Türkisgrün bemalt – wie das Cockpit der Tu-154 – ist sicher aus dem 10. Fünfjahresplan übriggeblieben.

Der Boden knarrt – ist unregelmäßig – das Zimmer in das wir geführt werden riecht muffig – Wasser gibt’s keines. Man bedeutet uns zu warten. Nach einiger Zeit taucht sie wieder auf – führt uns in das vis-a-vis Zimmer – gleich muffig aber mit laufendem Wasser – kalt natürlich. Die Klomuschel hat einen stoffbezogenen Sitz. Gschmackig. In den Fasern haben sich sicher schon Mehrzeller entwickelt. Eine Glühbirne. Ein wahrlich deprimierender Ort. Dagegen ist Bates Motel ein 5-Stern Wellness-Hotel. Das ganze macht den Eindruck als wären wir die ersten Gäste seit vielen Jahren. Uns ists aber wurscht.Der Staub muß runter – auch mit kaltem Wasser halt. Nur nirgends ankommen. Wir sind doch nicht in den paar Tagen Mongolei so gealtert – s’war nur der Staub.

Neben dem Hotel ein Restaurant – außen fast unbeleuchtet – aber offen. Innen direkt freundlich – nette Kellnerinnen – und ja wir können auch mit US$ zahlen. Es gibt auch nur mehr ein Gericht – ok geht scho – zweimal – und zwei Bier bitte.

Der kasachische Einfluß ist hier im Westen der Mongolei zu spüren – die Kasachen sind Muslime – die Kellnerin versucht uns, sogar mit ein paar Brocken Englisch, begreiflich zu machen – heute ist „alcoholfree day“. Na super. Also gut, her mitn Tschopperlwasser, „Minute maid“ Orangensaft aus den USA. Wie kommt der hierher? Auf der Straße sicher nicht! Werfen den amerikanische Transportflugzeuge über dieser gottverlassenen Stadt in den Bergen ab? Segeln da Hunderte „Minute maid“ Orangensaftflaschen an Fallschirmen vom Himmel? Wir wissen es nicht. Schmeckt aber auch. So wie das Rindfleisch mit Erdäpfelscheiben das wir nach kurzer Zeit serviert bekommen. Echt lecker! Um 11 Uhr wird das Restaurant zugesperrt.

Vor dem schlafen gehen – noch der Handy-Wecker, wir wollen um 3.30 aufstehen und um 4 Uhr schon im Auto sitzen. Wir wollen allerspätestens um 15 Uhr an der Grenze sein – bis dahin sinds aber noch 400 km, davon mindestens 200 km „like a nightmare“ oder „like hell“.

Das Bett besteht aus einem Holzbrett und einer dünnen in Plastik verpackten Auflage über die so was wie ein Leintuch gebreitet ist. Decke gibt’s auf Nachfrage auch. Im Zelt wars bequemer. Aber – Prinzessin auf der Erbse? Sicher ned.

Licht aus!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie gings weiter?

Anonym hat gesagt…

Auf "Ältere Posts" klicken