3. Tag, Mittwoch, 5. September 2007, Arwaicheer - Bajanchongor - Irgendwo im Nirgendwo


Geplante Abfahrt 7 Uhr früh, wir haben 600 km zu fahren – in die Stadt Altaj. Es wird viertel 8 – ned so schlecht - als der Motor im Panda mit viel Choker zündet. Kein Frühstück natürlich.

Nach gestrigem spätabendlichen Kartenstudium - kommen wir langsam in ein Dilemma – denn – der Grenzübergang im äußersten Nordwesten der Mongolei nach Russland sperrt lt. unseren Informationen am Freitag um 18 Uhr zu und erst Montag früh wieder auf. Unser mongolisches Siebentages Visum läuft am Montag ab, d.h. kommen wir am Freitag zu spät – lassen uns die Mongolen nicht mehr aus ihrem Land hinaus – heißt - zurück nach Ulaanbaatar und Visum verlängern oder was auch immer.

Wir müssen es bis Freitagmittag an die Grenze schaffen, wir rechnen mit mehreren Stunden Grenzabfertigung.

Laut Karte sind es von Arwaicheer nach Westen noch ca. 50 km Asphalt – guter Witz (vielen Dank Reise Know-How Verlag!) – nach den letzten Häusern wieder die Rumpelstrecke – diesmal von der schlechten Sorte – wieder das gleiche wie am Vortag – Schotterstraße in Bau – daneben Fahrspuren. 30 km/h.



Die Schotterstraße in Bau ist aus und es verlaufen nur mehr Fahrspuren parallel die noch dazu regelmäßig ins Gelände abbiegen – zu Jurten? Keine Ahnung. Wir fahren auf der Spur die am besten noch nach Westen verläuft.

Der Garmin Gecko gibt auf. Brauch ma aber – ohne Gecko kein Kompaß. Sind aber nur die Batterien leer. Schlaue Kerlchen wie wir nun mal sind – haben wir natürlich Ersatz mit – nur die falschen halt. Wir haben Typ AA mit (das sind die mittelgroßen) – in den Gecko gehören aber Typ AAA rein (das sind die kleinen) – also ein echtes AA – richtige Scheiße also.

Lieber Herr Duracell kann man sich nicht auf ein Format einigen? Wohl kaum – der hüpft lieber mit rosa Hasen durch die Gegend.

Gut, zurück in die Steppe. Der Panda hat eh welche auf Lager gehabt. Guter Panda. Gecko funktioniert wieder.


Das Gelände wird hügeliger – die Fahrspur buckeliger. Von schnell weiterkommen keine Rede mehr. Sind wir noch richtig? Keine Jurten weit und breit – die Telefon- oder Stromleitung der wir ein Stück entlanggefahren sind ist auch abgebogen. Eine Flußdurchquerung – gottseidank ausgetrocknet – wir möchten uns gar nicht vorstellen wenn der Fluß in Betrieb ist – bei starkem Regen z.B.

Als wir über einen dieser Hügel drüberfahren ist die Fahrspur kaum mehr erkennbar – schon länger keiner mehr gefahren – wir finden uns langsam ab dass wir nicht so ganz richtig sind – in der Ferne zwischen den Hügeln erkennbar – ein graues Band – eine Straße – gibt’s ja nicht – laut Karte gibt’s da keine Straße – wir fahren die paar Kilometer durchs Gelände näher – es ist eine Schotterstraße – aus dem Nichts kommend – aber sie führt nach Westen – unsere Richtung. Eine richtige Schotterstraße mit Bankett.

Nach ein paar Kilometer ist’s mit der Schotterstraße auch wieder aus. Was uns aber klar war.

Fahrspuren durchs Gelände – immer wieder zweigen sie ab. Wieder - Sind wir noch richtig?

Die Fahrspur der wir seit geraumer Zeit folgen dreht sich immer mehr nach Norden – laut Karte geht die „Straße“ – sie ist dick fett rot eingezeichnet aber nach Westnordwest bis Nordwest. Wir beschließen an einer dieser Abzweigung nach links abzubiegen – Richtung Westen – aber auch diese Fahrspur dreht nach geraumer Zeit nach Norden – hmmm – die grünen Hügel schauen alle gleich aus – keine Jurten – wir haben uns ziemlich verirrt.

Wir bleiben stehen – Motor aus – wir hören den Wind pfeifen und heulen. Ringsum uns nur Landschaft – grüne Hügel (wiss ma schon). Die Fahrspur kaum mehr erkennbar.

Es gelingt uns eine Position mit Hilfe des GPS zu interpolieren und in die Karte einzuzeichnen. Die Karte verwendet als Bezugsellipsoid das WGS84 Kartendatum – ist also GPS kompatibel. Die Position die wir einzeichnen würden allerdings, bei einem Maßstab von 1:1,6 Millionen, nur Optimisten als ungefähr einschätzen – aber immerhin – eine ungefähre Position.

Wir sind deutlich östlich der eingezeichneten „Straße“ – müssen also eine Fahrspur finden die nach Westen führt – auf dieser Richtung uns bewegend sollten wir die „Straße“ anschneiden.

Nach einem Stück Richtung Norden fahrend – es ist sonderbar still im Auto – wieder Abzweigung Richtung Westen – schlechte Fahrspur aber Richtung passt – es geht Hügel auf Hügel ab – die niedrigen Hügel stehen knapp beieinander – man sieht nicht weit.

Wir bleiben immer wieder stehen und zeichnen unsere Position in die Karte ein – wir fahren parallel zur dicken fetten roten „Straße“ aber langsam nähern wir uns an – die Landschaft ist gleichbleibend.

Nach einiger Zeit des Mitkoppelns wird uns irgendwie klar – wir bewegen uns schon auf der dicken fetten roten „Straße“ – wir haben die Fahrspur irgendwann in den letzten Kilometern zufällig angeschnitten. Kann nicht anders sein. Weiter so.

Dann wieder eine Schotterpiste. Wir sind offensichtlich doch richtig. Wir müssen eine zusammengebrochene Brücke umfahren. Die Mongolen bauen lieber eine Holzbrücke über den Fluß als die eigentliche Brücke zu reparieren. OK was solls.

Ein paar Häuser tauchen auf. Ist das schon Bajanchongor, die nächste 20.000 Einwohner Metropole? Wir sollten schon da sein. Es führen zwei Straßen raus – wir müssen nach Südwesten weiter. Die Schotterpiste dreht nach Westen – falsch abgebogen – das ist noch nicht Bajanchongor sondern eine kleinere Ansiedlung 20 km vorher. Also wieder zurück – wir tanken aber lieber – einige haben schon mal eine Woche auf Benzin an einer Tankstelle gewartet – weil die Tank-LKWs über die durch Regen stark angeschwollenen Flüsse nicht haben durchfahren können.

Jetzt paßts wir sind in Bajanchongor – wieder ab der Einfahrt asphaltierte Straßen – richtig super. An der Einfahrt zahlen wir wieder Maut – 500 Tögrög.

Ist grad Schule aus. Viele Menschen auf der Straße. Aber wo geht’s raus? Nach Altaj? Keine Schilder.

Wir fragen! Einmal – zweimal – die verstehen uns nicht! Erst der dritte deutet uns an der nächsten Abzweigung rechts – dort angekommen fragen wir noch mal – ja passt schon – grad aus der Stadt raus.



Am Stadtrand, an den letzten umzäunten Jurten angekommen laufen die Fahrspuren sternförmig weiter – Asphalt ist aus – eh kloar – wir folgen der Richtung die uns aus der Stadt herausgeführt hat weiter – Himmelsrichtung passt – dann aufeinmal ein lautes Rumpeln unter dem Fahrzeug – die Kardanwelle im Mittelgetriebe das den Allrad einschaltet. Wir bleiben stehen – ist nix zu sehen. Beim Fahren – vor allem mit Allrad laute scharrende Geräusche – ohje Kardanwelle kaputt? Bitte nicht – vor allem nicht da jetzt. Kein Mensch weit und breit – und der letzte LKW war in Bajanchongor. Es ist aber nichts zu sehen – das Mittelgetriebe ist durch ein Schutzblech verdeckt. Schaut aber alles ok aus. Wir fahren weiter.


Gelände wird steiler – es geht einen größeren Hügel hinauf – Richtung passt gar nicht mehr – Geräusche unter dem Auto. Wir haben uns schon mal besser gefühlt. Wir bleiben wieder stehen und schauen genau auf die Karte. Diesmal auf die Höhenschichtlinien. Ja wir sind falsch – sehr falsch sogar. Umdrehen? 60 km nach Bajanchongor zurück? Mit 30 km/h? Laut Karte verläuft die dicke fette rote „Straße“ nach den Hügeln in einem Tal vor uns ein Stück Richtung Nordwesten, d.h. wir brauchen ja „nur“ über die Hügeln fahren – in das Tal hinunter – dort werden wir die Straße schon antreffen. Macht zumindest Mut – die Idee.

Wir folgen der schon sehr schlechten Fahrspur durch die Hügeln und es geht nach einiger Zeit tatsächlich bergab – bergab aber ohne Fahrspur – es ist ein – Bachbett! Wir schauen an keinen Steinen anzufahren – na sinnlos. Wir müssen umdrehen – nicht so einfach bergab zwischen den
Steinen – der Rückwärtsgang lässt sich nicht so einfach einlegen – der Schaltknüppel steht am Beifahrersitz an – und in der Hektik überhaupt.

Geschafft. Wir fahren wieder bergauf – zurück. Rechts in den Hügeln eine Ziegenherde – miteiner Hirtin mit einem Pferd an der Hand. Einer dieser großen Hunde ist auch dabei – vor denen haben sie uns gewarnt – entweder wild oder tollwütig. Sie, in ihrem dunkelroten schön bestickten Umhang, schaut uns groß und etwas verschreckt an als wir uns mit der Karte in der Hand nähern und aufgeregt „Altaj?“ „Altaj?“ fragen und mit den Händen und der Karte in der Luft herumfuchteln.

Wir besinnen uns aber rasch – Weiß sie was eine Landkarte ist? Kann sie lesen? Kennt sie Altaj – das ist ja noch mindestens 400 km entfernt? Wir fragen sie nach der nächsten in der Karte eingezeichneten Ansiedlung. Den Namen können wir aber nur irgendwie aussprechen – wir treffen es aber nicht so schlecht – sie deutet nach rechts in einem Bogen um die Hügel herum – das deckt sich auch mit der Karte und eine Abzweigung weiter oben ist uns auch noch im Gedächtnis. Danke rotgold bestickte Hirtin.

Wir biegen ein Stück weiter oben rechts ab auf eine undeutlich erkennbare Fahrspur. Kilometerlang fahren wir hügelauf hügelab – dass wir in das Tal runterfahren will sich nicht so recht erkennen lassen. Urplötzlich gehts steil nach unten – die Fahrspur ist aus – wir fahren wieder ein steiles Bachbett nach unten – ausgetrocknet zwar – es will sich keiner vorstellen was da bei Regen los ist. An stehenbleiben ist nicht mehr zu denken – Sand, Schotter, Geröll, es geht hurtig zwischen den Steinen bergab – Augen zu und durch – Allrad ist längstens schon drin – es pumpert eh so laut – dass die Geräusche vom Mittelgetriebe nicht zu hören sind. Kein Wort wird gesprochen. Augen weit aufgerissen – geht die wilde Fahrt in Kurven das Bachbett bergab. Bitte jetzt keinen Stein übersehen – kein Loch – nicht im Sand steckenbleiben – nicht jetzt – nicht hier. Da findet uns keiner.

Es wird flacher – es tut sich ein weites Tal auf – wir sind unten - noch immer im Bachbett aber unten. Und in der Ferne ein graues Band – die große rote fette „Straße“ – unsere lang gesuchte Schotterpiste.

Wir finden im flachen Gelände eine undeutliche Fahrspur die Richtung dem grauen Band führt – aus der ferne sehen wir dass die Piste auf einem Art Damm führt, die Fahrspur führt aber genau zu einem flacheren Teil – wieder Allrad rein – der Panda klettert auf den Damm rauf und wir stehen auf der Schotterpiste.

Wir beschließen in Zukunft die Navigation etwas sorgfältiger zu betreiben. An einem Tag zweimal verfahren - und wie gleich!

Wennst da hängen bleibst kannst ja nicht beim ÖAMTC anrufen.

Das Schnarren des Mittelgetriebes klingt auch leiser und ist nach einigen Kilometern ganz weg – aha – repariert sich der Panda jetzt selber? War die Kardanwelle nur leicht verschoben oder gar nur ein Stein oder Schmutz zwischen der Welle und den Schutzblech? Wie auch immer – es
geht wieder!

In der Ferne eine Staubwolke – als wir langsam näher kommen erkennen wir 3 kleine LKWs die in unsere Richtung fahren – wir beschließen dahinter zu bleiben – die fahren sicher nach Altaj – wohin sonst? Bleiben leider nach kurzer Zeit stehen – Rauchpause! OK, wir sind wieder allein.

Wir erreichen die nächste Ansiedlung – ein paar Holzbaracken, mit Zäunen umringte Jurten (Vor was oder wem haben die Angst?). Das einzige feste Gebäude ist ein verfallenes Haus – scheinbar aus der Sowjetzeit. Nach den letzten Erfahrungen vorsichtiger geworden bleiben wir vor einer Menschengruppe stehen und wollen nach dem Weg fragen. Sie schauen uns befremdet an, die Kinder schrecken zurück – sie fürchten sich vor uns. Einer von den Helden kommt schließlich näher und deutet – ja grad raus aus dem Ort – am, in der Ferne erkennbaren Sender links vorbei – da geht’s nach Altaj gibt er uns zu verstehen.

In der Mitte des Ortes, eine Kreuzung, ist ein Motorrad abgestellt – eines der russischen Motorräder die vor fast jeder Jurte stehen – mit denen sie durchs Gelände glühen – sicher unverwüstlich die Dinger – nur etwas mutet seltsam an – der Fahrer liegt daneben – ein anderer entfernt sich gerade von ihm – kurz nur kurz glauben wir der schläft einfach. Auch in der Mongolei pflegen sie nicht im Schotter auf einer Kreuzung mit dem Gesicht nach unten im Staub zu schlafen – ein Arm ragt unter dem Körper quer heraus. Der ist ganz normal tot. Stammesfehde? Wir schauen dass wir den düsteren Ort so schnell wie möglich verlassen. Der bedeckte Himmel passt auch dazu.

Jedesmal wenn die Federn des Pandas in einem Loch durchschlagen – ist im Innenraum nix zu sehen – da fliegt nämlich der ganze Staub und Sand durch die Gegend um sich dann langsam wieder niederzulegen. Auf das Instrumentenbrett, die Karte, Kamera, Gepäck, Lenkrad, uns. Das Fahrzeuginnere hat eine grau-bräunliche Farbe angenommen. Wir auch.

Durchs Gelände weiter – mal erdig staubige Fahrspur – mal Schotterpiste – zum Glück keine Abzweigungen mehr – jetzt wieder durch felsige Hügel – dann zur Abwechslung eine Ebene – und was für eine – die wird immer größer – bis nur mehr links und rechts in weiter Entfernung schemenhaft Berge zu erkennen sind – die ist ja riesig – die baum- und strauchlose Ebene – hat die ein Ende auch? Seit zwei oder drei Stunden – nur Ebene! Fliegt man am Ende vielleicht irgendwo hinunter? Ist die Erde eine Scheibe in der Mongolei? Die Ebene ist deprimierend – echt! Gegen die tiefstehende Sonne ist der Weg schwer zu sehen – auch den Löchern ausweichen ist schwer. Es wir immer klarer –Altaj erreichen wir heute nicht mehr. Wir entscheiden nur bis zum Einbruch der Dunkelheit zu fahren. So rumpeln wir noch guter Dinge in die Dämmerung – die Sonne ist schon unter dem Horizont – die ist echt lästig – beim untergehen – wenn man Richtung Westen fährt.

Und dann ist er da! Urplötzlich! Ganz schnell! Der Schlamm! In der Dämmerung nur als schwarze Fläche erkennbar, durch den die Fahrspur führt. Eine Flußdurchfahrt – aber nicht ganz ausgetrocknet. Tiefe Schlammrillen! Grad noch den Allrad rein – und wir sind im Gatsch. Der Motor heult auf – nicht stehen bleiben – nicht hier! Nicht jetzt! (Kommt bekannt vor). Der Panda gleitet leicht am Schlamm auf, die Räder drehen durch. Aber er schiebt sich Zentimeter für Zentimeter dem anderen Ufer entgegen. Der Dreck fliegt meterhoch. Ein paar Meter noch – nur noch ein paar Meter – bitte. Wer weiß wann hier wieder ein LKW vorbeikommt – in dieser Scheißebene. Und dann geschafft – wir stehen wieder auf fester Erde. Das war denkbar knapp. Glück gehabt.

Es muß eine von diesen Flußdurchfahrten gewesen sein, vor denen einige der Teilnehmer an der Rallye ein paar Tage gewartet haben um überhaupt durchfahren zu können.

Nach diesem Erlebnis und aufgrund der mittlerweile hereingebrochenen Dunkelheit fahren wir einige Kilometer später ein paar Hundert Meter ins Gelände – von der Fahrspur weg – und bauen neben dem Panda im Schein der Stirnlampen und der Scheinwerfer das Zelt auf. Wir sind irgendwo im Nirgendwo, wir schätzen ca. 100 km von Altaj entfernt.

Welche Schätze verbirgt die Proviantkiste! Vorher muß aber noch der Benzinkocher zusammengebaut und an die kleine Benzinflasche angeschlossen werden – er ist noch originalverpackt. Kein Problem für uns – Bedienungsanleitung? Ha, etwas für Mädchen!

Die Bedienungsanleitung, in allen Sprachen dieser Welt gehalten, ist dann doch informativ. Es ist nur wegen dem Hunger – es geht einfach schneller wenn man den Zeichnungen folgt – zusammengebracht hätten wir es auch so. Sicher. Wie gesagt der Hunger und die Dunkelheit.

Ahja die Proviantkiste. Schau ma mal. So löffeln wir dann Gefüllte Paprika vom Inzersdorfer. Mitten in der Ebene – irgendwo im Nirgendwo in der Mongolei. Danke Inzersdorfer. Lecker.

10 Uhr Nachtruhe - wir sind müde. Kein Bedarf an Alkohol.

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